bitte, mama,
erzähl mir von
deiner angst!
ich weiß, sie
erfüllt das kahle zimmer,
sobald die
besuchszeit zu ende ist
und die
flügeltür hinter mir zufällt.
du sprichst nie.
wenn, dann über
die schlagzeilen der illustrierten von vor drei monaten,
die hier
herumliegen,
oder deine
zimmergenossinnen.
nie fragst du.
nicht um trost.
nicht um hilfe.
nicht danach,
was mit dir geschehen wird.
dann, wenn der
krebs beginnt, dich vollends zu verzehren.
hüllst dich in
palliatives totschweigen.
so wie dein
ganzes leben schon.
meine angst
nehme ich jeden
tag, an dem ich kommen kann, mit.
lasse sie gut
angeleint vor deinem zimmer warten,
um sie beim
nachhauseweg dort wieder abzuholen.
sie übernachtet
bei mir.
jede nacht
seit du nur noch
darauf wartest, dass „es“ vorbei geht.
du wolltest nie,
dass wir,
deine töchter,
dich so sehen.
nun kannst du
nicht einmal
meine helfenden
hände an dir ertragen,
meine
gutgemeinten worte hören, die dich so quälen,
meine
haltsuchenden blicke erwidern.
ich verspreche,
ich werde nicht hinsehen!
ich verspreche,
ich werde dieses bild von dir vergessen!
mein erstes
wichtiges versprechen,
das ich nicht
werde halten können.
doch du
schweigst.
lange, bevor du
die sprache verlierst.
bevor du hinter
nebelwänden aus schmerzlosigkeit verschwindest.
sie verschlucken
dich eines tages.
dann bist du
nicht mehr da.
obwohl wir dich
noch deutlich sehen können.
nur zu deutlich.
die angst
mag nun nicht
länger draußen warten.
weit offen
steht die
flügeltür.
vogelgezwitscher
im park.
schließlich
bist du verstummt.
anders als das
vertraute schweigen,
das dich durch
dein ganzes leben begleitet hat.
lässt uns
zurück,
ohne dich jemals
ganz erfahren zu haben.
dein blick ist
so fern.
nun kann ich sie
nicht einmal mehr
in deinen augen
lesen,
deine angst .
ich hätte sie
auf meinen schultern
mit zu mir nach
hause getragen,
damit sie dir
nicht länger zur last fällt.
jede nacht
und jeden tag.
sie hätte zu
meiner angst gesprochen
wie eine alte
bekannte.
vom mut der
verzweiflung.
von den schönen
dingen, die waren.
von der
hässlichkeit.
von der natur
der vergänglichkeit.
von ihrem
eigenen wesen.
und ich hätte
zugehört.
so
wie ich dir
immer zuhören wollte.
stille.
endgültig und
unerträglich wie am ersten tag.
meine schultern
tun so weh.
.2008 (2005)